16 August 2006

Gewinnspiel oder Schleichwerbung im redaktionellen Teil?

Mit diesem Beitrag möchte ich eine kleine Diskussion eröffnen. Die Frage beschäftigt mich schon lange: Wo liegt die Grenze zwischen Schleichwerbung und Gewinnspiel?

Zeitungen bieten ihren Lesern oft die Teilnahme an Gewinnspielen an. Die Leser können Tickets für Konzerte gewinnen, Schuhe, Reisen, Autos, eigentlich alles, was das Herz begehrt.

Die Anbieter des jeweiligen Produkts wiederum stellen die Preise für das Gewinnspiel meist kostenlos den Zeitungen zur Verfügung, da sie sich davon einen Werbeeffekt erhoffen.

So weit so gut. Alle drei Parteien dieses Gewinnspiel profitieren:
  • Die Leser erhalten die Chance, tolle Preise zu gewinnen.
  • Die Anbieter des Produkts kommen in den Genuss, eines Werbeeffekts für ihr Produkt
  • Die Zeitungen schaffen einen Mehrwert für ihre Leser.
An diesem Vorgehen ist grundsätzlich nichts auszusetzen. Ich glaube auch, dass solche Gewinnspiele durchaus mit den meisten westlichen Pressekodizes kompatibel sind.

Ganz im Gegensatz dazu ist Schleichwerbung im redaktionellen Teil mit den meisten westlichen Pressekodizes nicht kompatibel

Mich interessiert nun die Frage, wo die Grenze liegt zwischen Schleichwerbung und Gewinnspielen.

Meine These ist, dass Gewinnspiele eine Hintertüre für raffinierte Inserateverkäufer bieten, um Schleichwerbung in den redaktionellen Teil schmuggeln.

Anders kann ich mir nicht erklären, wieso 20 Minuten einen solchen Text zum Gewinnspiel druckt (Ausgabe vom Montag oder online, Danke an PAX für den Hinweis).



Reicht es wirklich, ein paar lausige Robbie Williams Tickets für ein Gewinnspiel zur Verfügung zu stellen, damit man eine solch gut Promo erhält oder muss dazu auch noch eine ganze Menge Geld fliessen?

Diese Frage würde ich gerne in den Kommentaren Diskutieren.

25 Kommentare:

Am 16 August, 2006 19:06 meint Anonymous Anonym ...

Der Unterschied zwischen Schleichwerbung und Gewinnspiel liegt dort, wo die Zeitung ein Gewinnspiel aktiv und gegen Geld- oder andere Leistungen gegenüber Werbepartner vermarktet. Während dem bei einem Gewinnspiel die Redaktion noch journalistischen Relevanzkriterien die Partner auswählt.

 
Am 16 August, 2006 19:13 meint Anonymous Anonym ...

Ach das ist doch Bullshit. Wettbewerbe im 20 Minuten haben immer nur den Zweck Werbung zu machen für ein Produkt.

 
Am 16 August, 2006 19:23 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo erster Anonymer. Wenn ich dich richtig verstehe, findest du Gewinnspiele mit Werbebotschaft dann in Ordnung, wenn sie von einem Redakteur ausgewählt wurden (nicht vom Inseratverkäufer) und abgesehen von den Preisen keine zusätzlichen Leistungen geflossen sind?

 
Am 16 August, 2006 19:25 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo zweiter Anonymer. Es hat ja auch niemand behauptet, dass es sich nicht um Werbebotschaften handelt. Die Frage ist lediglich, bis zu welchem Grad sie legitim sind.

 
Am 16 August, 2006 19:58 meint Anonymous Anonym ...

ich habe noch nie gehoert, dass beim auswaehlen von preisen fuer gewinnspiele journalistische relevanzkriterien beruecksichtigt werden muessen.
es ist legitim, dass ein wettbewerb auf ein produkt aufmerksam macht. die mischung von konzerthinweis, wettbewerb und produkteanpreisung (die nichts mit robbie williams zu tun hat, oder sponsert body shop den robbie) ist aber schon ziemlich gewagt.

 
Am 16 August, 2006 21:42 meint Anonymous Anonym ...

Wenn ein Unternehmen sich einen Platz im redaktionellen Teil der Zeitung mittels Gewinnspiel erkauft (wie im erwähnten Bodyshop-Beispiel der Fall) ist es Schleichwerbung. Der Text handelt nicht von Robbie Williams, sondern von der neuen Bodyshop Makeup-Linie.
Berichtet eine Zeitung über einen Anlass und sponsert eine Unternehmung (am besten branchenfremd, wie es im Bodyshop-Artikel eigentlich der Fall wäre) für diesen Anlass Tickets, ist es zulässig, das betreffende Unternehmen in der Unterzeile zu erwähnen. Im Sinn von: Zu diesem Anlass lädt Sie XY ein...
So.

 
Am 16 August, 2006 23:28 meint Anonymous Anonym ...

Wie ist da eigentlich die Rechtslage genau? Kann mich da mal jemand aufklären? Das heisst, ist es denn in der Schweiz verboten, bezahlte Schleichwerbung als redaktionellen Artikel zu "tarnen"? Ich hab da keine Ahnung...

 
Am 17 August, 2006 09:36 meint Blogger Der unmündige Leser ...

@Sam. Du schreibst, dass es nicht auf journalistische Relevankriterien ankommt. Allerdings bleibt dann offen, wie man sonst Anzeigen und Inhalt unterscheiden soll:
-Inhalt = von Journalist ausgewählt
-Anzeige = von Unternehmen bezahlt.

 
Am 17 August, 2006 09:39 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Dritter anonymer. Du schreibst, dass es zulässig sei, den Sponsoren eines Tickets im Artikel zu erwähnen. Ist das deine Meinung oder ist das ein Fakt? Und falls es ein Fakt ist, wo kann man das nachlesen?

 
Am 17 August, 2006 09:41 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Stormy B. Ants. Ich finde, die Kombination von Werbung für Body Shop mit einer Robbie-Williams-Ticket-Verlosung sehr unpassend, auch wenn jetzt Body Shop einen Vertrag hätte mit Robbie Williams hätte. Kann mal wer den Robbie fragen, ob Body Shop einen Vertrag mit ihm hat?

 
Am 17 August, 2006 09:45 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Anonymer. Du fragst nach der Rechtslage. Ich weiss das auch nicht so genau. Ich denke das ist ziemlich diffus. Schleichwerbung ist meines Wissens lediglich ein Thema im RTVG und das wiederum gilt nicht für Zeitungen, sondern nur für Radio und Fernsehen. Ist hier kein Medienjurist am mitlesen, der uns das mal erläutern könnte?

 
Am 17 August, 2006 10:46 meint Anonymous Anonym ...

Das mit der Hintertür finde ich ein guter Vergleich.

 
Am 17 August, 2006 11:32 meint Anonymous Anonym ...

Heute ist der Wettbewerb wieder in 20Minuten. Diesmal aber schön als "Anzeige" deklariert (Seite 20 unten).

Hat da jemand Pendlerblog gelesen?

 
Am 17 August, 2006 14:13 meint Anonymous Anonym ...

@Rechtslage-Neugierige - also gut, jetzt labert der Anwalt: Lässt man mal Presse-Kodizes beiseite, ist Schleichwerbung in Printmedien per se nicht verboten. Schranken setzt jedoch in erster Linie das Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Insbesondere wäre Art. 3 lit. b UWG zu prüfen, da man dem Medienunternehmen möglicherweise vorwerfen könnte, irreführende Angaben über Geschäftsverhältnisse/Werke/Leistungen zu machen, wenn es wahrheitswidrig vorgeben würde, eine unabhängige Publikation zu betreiben. Bezeichnenderweise behauptet die Tamedia bei "20minuten" explizit nicht, dass die Zeitung unabhängig sei (http://www.tamedia.ch/dyn/d/zeitungen/461156.html) - ganz im Gegensatz zum "Tages Anzeiger" (http://www.tamedia.ch/dyn/d/zeitungen/331373.html). Das lässt doch auf einiges schliessen...

 
Am 17 August, 2006 14:20 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo Panzerschreck. Vielen Dank für deine Infos. Ich geh also richtig in der Annahme, dass in der Rechtssprechung die verfassungsmässig garantierte Pressefreiheit (und damit das Recht auch Schleichwerbung zu publizieren) höher gewertet wird als das Verbot von unlauterem Wettbewerb. Oder hat das überhaupt gar nichts miteinander zu tun.

 
Am 17 August, 2006 14:28 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo Panzerschreck. Noch eine Frage. Wie verbindlich sind eigentlich Pressekodizes?

 
Am 17 August, 2006 14:31 meint Anonymous Anonym ...

@unmündiger Leser: Die Meinungsäusserungsfreiheit ganz allgemein findet ihre Schranken in zahlreichen Gesetzen - so auch dem UWG. Somit darf niemand unter dem Deckmantel der Pressefreiheit unlauteren Wettbewerb betreiben.

Die Kernfrage ist: Ab wann ist ein Verhalten unlauter? Da 20minuten ja bereits seit Jahren wahllos für beliebige Inserenten Gefälligkeitsaktionen im redaktionellen Bereich macht und von sich nicht behauptet, unabhängig zu sein, dürfte eine Täuschung der Leser kaum nachzuweisen sein. Die Schleichwerbung in "20minuten" ist ja teilweise so plump, dass sie vom "jungen, urbanen Pendler mit guter Bildung" (deklarierte Zielgruppe) ohne weiteres erkennbar ist.

Anders sähe dies bei einem Qualitätstitel aus, der von sich behauptet, er sei unabhängig (eben der Tagi). Hier könnte bei Schleichwerbung durchaus eine irreführende, unlautere Täuschung vorliegen.

Doch glaube ich nicht, dass die "20minuten"-Macher Angst haben müssen - ihr Produkt wird wohl nicht so schnelle nicht als Qualitätstitel wahrgenommen. ;-)

 
Am 17 August, 2006 14:37 meint Anonymous Anonym ...

Zur zweiten Frage: Pressekodizes sind freiwillige, private Regelwerke, die gegenüber dem Leser grundsätzlich keine Wirkung entfalten und auch keine Rechtsansprüche begründen (wir lassen das freiwillige Beschwerdeverfahren vor dem Presserat jetzt aussen vor). Die Gerichtspraxis misst den Pressekodizes bei der Beurteilung der journalistischen Sorgfalt allerdings grosse Bedeutung zu. Wenn also ein Medium wegen Persönlichkeitsverletzung oder unlauterem Wettbewerb eingeklagt wird, spielen die Presseratsrichtlinien im Argumentarium eines Anwalts eine wichtige Rolle.

 
Am 17 August, 2006 17:32 meint Anonymous Anonym ...

@faulmurf: Ja, der Cube ist ein schönes Beispiel. Aber man kann dem Tagi zu Gute halten, dass seine Cube-Geschichte recherchiert ist und doch noch zwei, drei leise Zwischentöne hat. Der Redaktor hat mit verschiedenen Personen gesprochen und dies zu einer Story gemacht. Für mich immer noch meilenweit entfernt vom PR-Gedröhne der 20minüteler.

 
Am 17 August, 2006 17:42 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo Panzerschreck.

Erstens sagst du, die Schleichwerbung in "20minuten" sei ja teilweise so plump, dass sie von den Lesern ohne weiteres erkennbar ist. Das wage ich zu bezweifeln.

Zweitens. Du sagst, dass es juristisch einwandfrei sei, so lange sich 20 minuten nicht als "unabhängig" bezeichnet. Dieses Argument kann man aber auch umkehren. Man müsste doch eigentlich, um nicht unlauter zu sein, klar deklarieren, dass man seinen redaktionellen Teil verkauft. Indem man beispielsweise eben konkret sagt müsste "Die Redaktion ist politisch und wirtschaftlich abhängig".

 
Am 17 August, 2006 22:26 meint Anonymous Anonym ...

gutes argument.

Ich habe keine Ahnung von der Rechtslage, aber immerhin wurde 20Min ja noch nid (oder?) wegen unlauteren Wettbewerb angeklagt.
Anderseits denke ich sollte man auch den Aspekt betrachten, dass 20Minuten nunmal eine gratiszeitung ist (für die Leser) und somit das Irreführen von eben denen nicht so schwer gewichtet werden kann wie ein Abonnent, der für seine tägliche Lektüre bezahlt.
Ausserdem denke ich schon, dass mindestens 80% der Leser die Schleichwerbungen erkennen. Mann könnte auch www.20min.ch eine Umfrage starten, wie gut man die Schleichwerbungen in der eigenen Zeitung erkennen kann. Dazu dann noch eine korrekt beschriftete grafik sowie tolle schlussfolgerungen und wieso nicht auch noch eine innovative Bildkette auf der Webpage über Pendler, die sich nach der S-Bahn Fahrt unumgehend in den nächsten Body Shop werfen? Natürlich ist es meistens die gleiche Schrift, aber die Überschrift im Blauen Balken wird oft durch das Logo des jeweiligen Inserenten ersetzt. Oder immernoch das beste Mittel, um potetielle Schleichwerbung aufzudecken ist es, sich die URL am Ende des Textes anzuschauen. Wenn nicht mehr www.wikipedia.20min.ch sondern www.Opel.ch steht, ist die Sache meistens schon klar.
Ich will jetzt nicht den Eindruck hinterlassen, dass ich die Schleichwerbungen verteidige, im Gegenteil, aber ich wollte nur mal meine Überlegungen zur Rechtslage loswerden.

 
Am 18 August, 2006 08:18 meint Anonymous Anonym ...

@unmündiger Leser: *Grins* Schöne Wendung: "Die Redaktion ist politisch und wirtschaftlich abhängig." Letzten Endes ist es eine Wertungsfrage (wie fast alles im UWG). "anonym" bringt die Erwartungshaltung der Leser gut auf den Punkt: Die Gratiszeitung gilt inhaltlich wohl bei den meisten als Leichtgewicht. Und eben - nicht zu unterschätzen ist die mehrjährige Positionierung von 20min als gefügige PR-Postille bei der Leserschaft. Ich will jetzt aber nicht den advocatus 20minuti spielen... Mir stösst die ganze PR-Problematik/Schleichwerbung ebenfalls sauer auf, nur halte ich sie kaum für justiziabel. Einem Mandanten von mir würde ich eher nicht zu einem UWG-Prozess raten.

 
Am 18 August, 2006 09:37 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo Anonymer. Das Argument, dass 20 Minuten eine Gratiszeitung sei, zählt nicht. Auch alle anderen Zeitungen finanzieren sich zum grössten Teil aus Werbung. Zudem soll 20 Minuten die Schweizer Zeitung sein, die 2005 den grössten Gewinn machte. Gute Voraussetzungen also, dies in Qualität zu investieren. Auch deine Aussage, dass 80 Prozent die Schleichwerbung erkennen, finde ich gewagt. Woher weisst du das?

 
Am 18 August, 2006 09:44 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Hallo Panzerschreck. Also lassen wir mal die Rechtssprechung beiseite. Nehmen wir mal den Pressekodex des Presserats. Natürlich ist das nur ein privates Regelwerk mit dem Zweck der Selbstkontrolle. Letztlich dient er aber auch als wichtiges Argument der Verleger sich den Gesetzgeber vom Hals zu schaffen. Wenn nun der Pressekodex überhaupt nicht greift, was man im Fall von 20 Minuten wohl behaupten könnte, dann wird sich das mittelfristig sehr schlecht auf die Verleger auswirken, weil sich vielleicht der Gesetzgeber gezwungen fühlen wird, in die Pressefreiheit einzugreifen, was er beispielsweise mit dem RTVG und dem Schleichwerbeverbot für Fernsehstationen bereits gemacht hat. Würde Herr Coninx sich nicht einen grossen Dienst erweisen, eine interne Weisung zum Verbot von Schleichwerbung zu erlassen?

 
Am 18 August, 2006 11:39 meint Anonymous Anonym ...

@unmündiger Leser: Man darf natürlich auch nicht vergessen, dass die Printpresse rechtsgeschichtlich ein anderes Selbstverständnis hat als die TV-/Radiostationen. Privates TV und private Radios waren in der Schweiz ja bis in die 1980er Jahre hinein verboten. Da ist die Akzeptanz bis heute grösser, dass der Bund auch nach der Liberalisierung die Spielregeln im RTVG (relativ eng) definiert.

Die Printpresse wird dagegen in der Schweiz seit 1874 mit der Pressefreiheit beglückt (Art. 55 aBV). Es dürfte hier für den Gesetzgeber politisch schwieriger sein, Schleichwerbungsverbote einzuführen. Man entsinne sich nur der Lobby-Macht der Verleger bei der Frage der indirekten Presseförderunng (www.schweizerpresse.ch/de/news/pressefoerderung_18.9.pdf).

Ich habe nichts gegen die jetzige Ordnung - wenn sich Titel wie 20min bei der Schleichwerbung halt selbst diskreditieren wollen, ist das ihr eigenes Image-Problem. Ob der Herr Coninx damit zurecht kommt, muss er selber wissen. Mein Eindruck ist, dass mindestens die Leser damit wenig Schwierigkeiten haben.

Und - last but not least: Ohne Schleichwerbung wäre das Lesevergnügen beim Pendlerblog doch geschmälert. Ich freue mich auf jede Enthüllung von Euch!

 

Kommentar veröffentlichen

<< Startseite