22 November 2005

Ich bin auch ein Hexenkessel

So weit, so klar: Wenn man etwas nicht weiss, schaut man auf dem Internet nach. Vorzugsweise bei Google. Weil Google aber ständig kaputt ist (20 Minuten berichtete), kann man auch auf www.20min.ch nach Begriffen suchen.

Zum Beispiel: Was ist eigentlich ein Hexenkessel? Das Wort liest man in letzter Zeit ja viel und gerne. Es scheint etwas mit Fussball zu tun zu haben. Die Suchmaschine von 20min.ch liefert zum Suchbegriff "Hexenkessel" interessante Resultate und klärt auf:
„Nach einer grossartigen Leistung im Hexenkessel von Istanbul hat sich die Schweizerische Fussball-Nationalmannschaft dank grossartigem Engagement und disziplinierter Spielweise für die WM 2006 in unserem Nachbarland Deutschland qualifiziert.“

Wir lernen: Grossartige Leistung in einem Hexenkessel reicht nicht aus, um sich für die WM 2006 zu qualifizieren. Denn NACH der grossartigen Leistung fängt die Arbeit offenbar erst an. Dann sind grossartiges Engagement und disziplinierte Spielweise gefragt. Vielleicht in den Katakomben?
Mit „Hexenkessel von Istanbul“ ist das Stadion Sükrü Saraçoglu gemeint. Die Türken sind natürlich auch ein bisserl selber schuld, wenn man lieber Hexenkessel von Istanbul schreibt als Sükrü Saraçoglu. Kann ja keiner aussprechen.
Wäre das ein redaktioneller Text, müsste man die Stirn runzeln. Zum Glück ist diese „Story“ eine undeklarierte und als redaktioneller Artikel getarnte Werbung für eine Website. Wer bezahlt, darf schliesslich schreiben, was er will.
„Wann wird ein Hexenkessel in einem Stadion so zur Hölle, dass der Schiedsrichter das Spiel abbrechen muss?“

Wir lernen: Es ist nicht nur so, dass der Hexenkessel das Stadion IST. Offenbar steht der Hexenkessel auch IM Stadion. Also in sich selbst. Unter gewissen Bedingungen wird der Kessel dann zu Hölle. Aber nicht immer gleich. Manchmal wird er so zur Hölle, dass der Schiedsrichter das Spiel abbrechen muss. Manchmal wird er offenbar aber auf eine Art zur Hölle, die den Abbruch des Spiels erübrigt. Ansonsten würde sich ja die Frage nach dem Wann erübrigen. Die korrekte Antwort auf die Frage "Wann wird ein Hexenkessel in einem Stadion so zur Hölle, dass der Schiedsrichter das Spiel abbrechen muss?" lautet übrigens: "Manchmal. Aber man weiss es nicht im voraus."

Weiter im Text:
„Im Istanbuler-Stadion Sükrü Saraçoglu wird am Mittwoch die Hölle los sein, wenn die türkische Mannschaft in der WM-Barrage auf die Schweiz trifft.“

Weil das Stadion Sükrü Saracoglu bekanntlich der Hexenkessel von Istanbul ist, steht hier also: „Im Hexenkessel von Istanbul wird am Mittwoch die Hölle los sein.“ Die obige Frage müsste deshalb korrekt lauten:
„Wann wird ein Hexenkessel in einem Hexenkessel, in dem die Hölle los sein wird, selbst so zur Hölle, dass der Schiedsrichter das Spiel abbrechen muss?“

Damit nicht genug:
„Neben Pfeifkonzerten dürften auch Gegenstände durch die Luft fliegen, die Rede ist von Münzen oder Handys.“

Wir lernen: Ein Hexenkessel, der in einem Hexenkessel steht, in dem die Hölle los ist, ist ein guter Ort, sein Handy zu entsorgen. Wer ein guter Handywerfer ist, kann durchaus den Hexenkessel im Stadion treffen. Wenn dieser dann kurzerhand zur Hölle wird, verbrennt das Handy wohl und man spart sich die Entsorgungsgebühr.

Es wird kompliziert: Entweder kann der Hexenkessel wandern, oder es gibt mehrere Hexenkessel. Kürzlich wurde der Hexenkessel in Irland gesehen, weit weg von Istanbul. Wieder waren die Schweizer Fussballer im Spiel.
„Dabei setzten die Schützlinge für Geburtstagskind Köbi Kuhn, der gestern 62 Jahre alt wurde, gegen die erwartet stürmischen «boys in green» im Hexenkessel der Landsdowne-Road von Beginn an das um, was sie sich vorgenommen hatten.“

Immerhin ist der Besitzer dieses Kessels bekannt: Er gehört einer Strasse namens Landsdowne Road. Oder sollten die beiden Nationalmannschaften am Ende mitten auf der Strasse Fussball gespielt habben?
Iren und Fussballstadien – eine schon beinahe höllische Kombination – erzeugen offenbar des öfteren Hexenkessel. Und das geht wie der Blitz:
„Nur wenige Sekunden dauerte es, und schon hatte die irische Rockband U2 gestern das Zürcher Letzigrund-Stadion in einen Hexenkessel verwandelt.“

Wer den Hexenkessel danach wieder in ein Stadion zurückverwandelt hat, verschweigt uns 20min.ch.
Es gibt Clubs wie die Toni Molkerei, die sich kein Fussballstadion leisten können, aber trotzdem gerne einen eigenen Hexenkessel hätten. Erst diesen August war es so weit:
„Hexenkessel dank den zwei Exzentrikern Fischerspooner.“

Wir lernen: Manchmal braucht es nicht 22 Fussballer und tausende von Zuschauern für einen Hexenkessel. 2 Exzentriker reichen aus. Was passiert, wenn die Fussballmannschaften aus Exzentrikern besteht, wagen wir uns gar nicht vorzustellen.
Der Hexenkessel war in der Toni Molkerei übrigens nicht von Anfang an da, Fischerspooner hatten ihn also nicht im Tourgepäck mitgebracht. Auch hier waren phänomenale Verwandlungskünste im Spiel:
„Als die ersten Takte von «Emerge» erklangen, verwandelte sich die erste Reihe in einen Hexenkessel, der auch Metallica gut zu Gesicht gestanden hätte.“

Wir lernen: Metallica hätten gerne einen Hexenkessel im Gesicht. Am liebsten einen, der vorher eine Reihe war. Man darf sich allerdings fragen, ob Metallica nicht doch lieber einen Hexenkessel im Gesicht hätten, der vorher ein Stadion war. Dort drin kann man wenigstens Fussball spielen. Und manchmal ist sogar die Hölle los.

4 Kommentare:

Am 22 November, 2005 20:54 meint Anonymous Anonym ...

uff - da kommt jetzt aber keine sau draus - was willst du sagen, gevatter griesgram?

 
Am 22 November, 2005 21:37 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Wie sagt man denn dem Ding, in welchem man aus Krötenschleim und Schlangegift einen Hustentee kocht?

 
Am 23 November, 2005 08:50 meint Anonymous Anonym ...

hihi Griesgram. gut gelacht;-).

 
Am 23 November, 2005 13:31 meint Blogger Hund Basil ...

Neben Pfeifkonzerten dürften auch Gegenstände durch die Luft fliegen, die Rede ist von Münzen oder Handys.

Schon wieder ein Lob
So poetisch hätte das beim Pendlerblog wohl niemand hingekriegt: "Konzerte fliegen durch die Luft"

 

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