01 Januar 2005

Referenzen



NZZ, 08.07.2005

Würde 20 Minuten auch in so positivem Ton über das Pendlerblog berichten, wie dies die NZZ am 8. Juli 2005 tat, dann würde das Pendlerblog tatsächlich bald den Blick besprechen (Wie in den FAQ angekündigt).

Hier der NZZ-Artikel, der uns so stolz machte, wie es einst Brigitte McMahon und Oskar Camenzind waren: Hier gehts direkt zum entscheidenden Abschnitt.


8. Juli 2005, Neue Zürcher Zeitung

Medien-Dissidenten im Internet
Ich-Buden als neue Basis für medienkritische Reflexionen

ras. Werden in den Ställen der Medienbetriebe mehr als anderswo schwarze Schafe gezüchtet? Anhänger medienkritischer Selbstgeisselungen dürfen dank einer Umfrage in den USA innehalten: Von über 3200 befragten Wissenschaftern gaben 15,5 Prozent an, innerhalb von drei Jahren mindestens einmal in einer Studie Methodik oder Erkenntnisse im Sinne des Geldgebers geändert zu haben. Ebenso viele ignorierten Beobachtungen, weil sie fanden, dass diese sowieso nicht stimmten. Ein Achtel der Befragten gestand, bei Kollegen die Verwendung fehlerhafter Daten absichtlich übersehen zu haben, und 6 Prozent haben Resultate unterschlagen, die den eigenen Ergebnissen widersprachen. Die wissenschaftlichen Sünder können den publizistischen Meistern der Schleichwerbung, des Thesenjournalismus und der Manipulationen zwar nicht als Entlastungszeugen dienen, doch bewahrt ein Seitenblick in andere Lebenswelten vor grüblerisch-narzisstischer medialer Nabelschau. Der Pfad der Tugend ist überall schmal.

Wichtig ist letztlich, dass Fehler und Fälschungen aufgedeckt und debattiert werden. Zumindest grössere Pressetitel richteten Foren ein, wo das geschieht. Andere Blätter greifen solche Themen von Fall zu Fall auf. Gewiss trifft die generelle Kritik der Wissenschaft zu, dass die meisten Medien die Selbstbeobachtung als Teil ihrer aufklärerischen Funktion bloss punktuell und unsystematisch betreiben. Verbesserungen wären nötig und möglich. Allerdings wäre es naiv, von den Spezialisten der Aktualitäten gelehrte Akribie zu erwarten. Dafür gibt es die Akademien. Sie haben die Möglichkeit, durch langfristigere Analysen die Froschperspektive der an der Nachrichtenfront kämpfenden Medienschaffenden zu erweitern.

Doch zwischen den beiden Berufsgruppen findet höchstens ein Dialog der Taubstummen statt. Man missachtet sich gegenseitig als «theorielose» Praktiker und «praxisferne» Wissenschafter. Möglicherweise gründet die mangelnde Anerkennung kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse durch Journalisten aber auch darauf, dass an den Akademien ein ebenso menschliches, fehleranfälliges Geschäft betrieben wird. Die genannte Umfrage illustriert, dass es keine privilegierten Wege zu Erkenntnissen gibt.

Otfried Jarren und andere Kommunikationswissenschafter plädieren für eine Verstetigung der Medienbeobachtung und eine gesellschaftlich breiter abgestützte Debatte (Artikel auf der folgenden Seite). Eine Ausweitung des Diskurses findet dank dem Internet bereits statt, jedoch erst in Ansätzen. Die Orte der medienkritischen Reflexion sind zerstreut und zudem öfters in der Hand von Journalisten. Niemand hindert allerdings die Wissenschafter daran, durch eigene Beiträge die Optik zu erweitern und den Boden für eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung zu bereiten. Das Internet mit seinen interaktiven Möglichkeiten ist zum Austausch von Ideen und Argumenten ideal. Substanzielle Beiträge finden schnell Resonanz. Es muss ja nicht immer gleich eine öffentliche Finanzierung gefordert werden, bevor eine Initiative ergriffen wird.

Noch leben wir aber erst im Frühmittelalter der Internet-gestützten Reflexion. Kleingewerbliche Betriebe mit geringen Besucherzahlen prägen die Szene. Der Output hängt von der momentanen Befindlichkeit der jeweiligen Akteure ab. Die subjektiv gefärbte Gedankenproduktion ist störungsanfällig. Die Ich-Buden kontrastieren stark mit den Objekten ihrer Reflexion, den professionellen Medienhäusern.

Die Keime medienkritischer Auseinandersetzungen im Internet sind auch in der Schweiz vielfältig: Es gibt etwa den Weblog «http://pendlerblog.blogspot.com», der die Gratiszeitung «20 Minuten» seziert. Unter der Adresse «http://baz. twoday.net» liest man spitze Kommentare zur «Basler Zeitung». «www.mitreden.ch» will zur Auseinandersetzung mit der SRG animieren. Breitere Medienthemen diskutieren das «Nilpferd» (http://nilpferd.blogspot.com) und der «Medienspiegel.ch». Spezielle Erwähnung verdient der Ostschweizer «TV-Rebell» (http://intervention.ch/vlog), der originellste Schweizer Medien-Dissident.

Professionelle Dienste haben sich erst im Bereich der Fachmedien etabliert, so etwa die Adressen «persoenlich.com», «kleinreport.ch» und «werbewoche.ch». Sie bringen hauptsächlich Branchennachrichten in Umlauf und rezyklieren Berichte der «alten» Medien. Kritische Reflexion ist zweitrangig. Bis jetzt am schwächsten trat die «Werbewoche» auf, die ihrer Website aber bald neuen Schub geben will.

Die genannten Aktivitäten dokumentieren, dass im Internet eine neue Kommunikationsbasis entsteht. Medienkritische Rückwirkungen auf die etablierten Häuser dürften zunehmen. Den nachhaltigsten Effekt löste in jüngster Zeit im deutschsprachigen Raum aber ein traditionelles Medium aus: «EPD Medien», ein Fachblatt der evangelischen Kirchen. Es enthüllte den Skandal um jahrelange Schleichwerbung in einer ARD-Serie.


persoenlich.com, 25.09.2005

Aus den Medien-News des beliebten "Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft":


Pendlerblog: Erklärte 20 Minuten-Fans erklären 20 Minuten
Blogger schauen dem Gratisblatt auf die Finger.

Eigentlich wollten sie ja den Blick besprechen. Aber leider haben die Macher des "Pendlerblogs" kein Geld um den Blick zu kaufen. Also warten sie darauf, dass die 20-Minuten-Redaktion ihnen ein Gönnerabo des Blicks bezahlt, damit sie ihren Fokus verlagern können. Und verweisen pedantisch, witzig und bisweilen fast liebevoll auf jede noch so kleine sprachliche Fehlleistung in der Pendler-Zeitung 20 Minuten.

Das Highlight der vergangenen Woche: Bei der Präsentation der Kampagne "Der kleine Unterscheide" über die neuen Handy-Modelle des Werbepartner Siemens titelte 20 Minuten am Mittwoch: "Samsung-Handy mit dem kleinen Unterschied". Den Handy-Hersteller wirds gefreut haben.

2 Kommentare:

Am 13 Juli, 2005 09:30 meint Anonymous Anonym ...

Wäre spannend zu sehen, wie die alte Tante reagierte, wenn es einen NZZ-Blog geben täte. Material gäbe es ja auch genug....

 
Am 19 Juli, 2005 16:44 meint Blogger Der unmündige Leser ...

Ja richtig, aber das macht einfach zu viel Arbeit, die NZZ zu lesen.

 

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